Eigentlich weint unsere Autorin immer, wenn es auf der großen Leinwand traurig wird. Doch bei "A Star is Born" blieb alles trocken. Ob es daran lag, dass die angeblich so große Liebesgeschichte der Hauptdarsteller sie irgendwie sauer aufstoßen lässt?
Von Kristiane N. Harten
"Nimm ganz viele Taschentücher mit", raunt mir eine Freundin zu, als ich ihr erzähle, dass wir am Wochenende "A Star is Born" mit Bradley Cooper und Lady Gaga gucken wollen. Eine andere hat den Film, bei dem Cooper selbst Regie führte, zwar schon gesehen, will ihn aber unbedingt nochmal gucken – so toll sei er.
Am Sonntagabend sitze ich also voll vorbereitet mit einer Freundin in den weichen Kinosesseln. Ich habe mir meinen gemütlichsten Pulli angezogen, quasi eine Umarmung aus Stoff, wasserfeste Wimperntusche drauf und eine Packung Taschentücher am Start. Denn, Fun Fact über mich: Ich habe meine Tränendrüsen bei traurigen Filmen einfach nicht unter Kontrolle. Kannste machen, was du willst – spätestens wenn auf der Leinwand einer weint, reißt es mich mit. Und ich bin da auch nicht wählerisch – "Lenßen und Partner" ist jetzt nicht das große Emotionskino…
Am Ende von "A Star is Born" weinen alle – nur auf meinen Wangen ist Sahara
Wie auch immer, ich bin also darauf vorbereitet, den Abend als schluchzendes Häufchen Elend inmitten eines Haufens benutzter Taschentücher zu verbringen. Doch dann passiert etwas Faszinierendes: (+++ACHTUNG, SPOILER!!!+++) Während um mich herum knapp 100 Frauen den Tod von Bradley Cooper beweinen, rührt sich bei mir gar nichts. Alles trocken. Keine Träne. Was ist hier los?
Eine kurze Zusammenfassung der durchaus dramatischen Ereignisse in dem 120-Minuten-Country-Liebesstreifen: Jackson ist erfolgreicher Musiker, der jeden Abend Stadien füllt – außerdem ist er schwerer Alkoholiker und tablettensüchtig. Läuft bei ihm. Führt dazu, dass er dauerhaft einen leichten Schwitzfilm im Gesicht hat und die Zähne beim Reden kaum auseinander kriegt. (Trotzdem bekomme ich nach etwa einer halben Stunde eine Faust in den Oberarm geboxt und die Worte "Ich find den ja SO HEISS", ins Ohr geflüstert. Muss man nicht verstehen. Also, Bradley Cooper? Ja. Bradley Cooper als höchstwahrscheinlich müffelnder Alkoholiker mit akuter Nuscheligkeit? Geht so.)
Lady Gaga wiederum spielt die junge Kellnerin Ally, die einriesigesGesangstalent hat und angeblichwegen ihrer Nase keinen Plattenvertrag bekommt. Außerdem scheint sie einen Großteil ihres Tages damit zu verbringen, ihrem Vater und seinen Chauffeurs-Kollegen hinterher zu räumen.
Ist das romantisch oder einfach nur ungesund?
Wie das in solchen Filmen nun mal ist, treffen sich die beiden durch Zufall und verlieben sich natürlich unsterblich ineinander. Meine Freundin neben mir hat nach kürzester Zeit Pipi in den Augen, weil die beiden doch sooo süß zusammen sind. Immer wieder seufzt das ganze Kino auf, wenn er ihr mit einerzum Ring gedrehten Gitarrenseite einen Heiratsantrag macht, oder einfach morgens an ihrem Bett auftaucht, um sie auf einen Roadtrip zu entführen.
Die Tatsache, dass das meistens passiert, nachdem er gerade super besoffen mega Mist gebaut hat, scheint niemanden zu interessieren. Und dass sie, nachdem er mitten in der Unterhaltung besoffen vom Sofa kippt, nur "das macht der immer so" sagt, ist nicht witzig, sondern höchst alarmierend – finde ich.
Die zwei führen also etwa eineinhalb Stunden lang diese äußerst ungesund aussehende co-abhängige Beziehung, bis er schließlich das Gefühl bekommt, schlecht für sie zu sein und sich das Leben nimmt. The End.
Natürlich hat "A Star is Born" kein Happy End
"WIESO KÖNNEN DIESE FILME NIE EIN HAPPY END HABEN??" regt sich meine Freundin vor dem Kino mit verheulten Augen auf. "Was wäre denn da das Happy End gewesen?" frage ich vorsichtig. "Er war suchtkrank und sie notorisch fürsorglich. Die Beziehung war von Anfang an zum Scheitern verurteilt." Naja, er habe ja immerhin einen Entzug gemacht und bei ganz großer Liebe könne man das schon irgendwie gemeinsam lösen, meint sie.
Aber ist das wahr? Ist es wirklich romantisch, wenn zwei Menschen so abhängig voneinander sind, dass sie nicht sehen können, dass sie sich gegenseitig zugrunde richten? Ist es wirklich eine große Liebesgeschichte, wenn sie ihm immer wieder verzeiht, ihn immer wieder aufrichtet und er sich zwar jedes Mal entschuldigt, sich schlussendlich aber nichts ändert? Wenn er den größten Abend ihres Lebens ruiniert und sie so blind vor Liebe ist, dass sie sich um ihn kümmert, anstatt unfassbar wütend zu sein?
Natürlich ist es tragisch, dass er sich am Ende das Leben nimmt. Natürlich ist es schlimm, dass er sein Leben und sie ihren Mann verloren hat. Aber es ist eben das: tragisch und nicht traurig. Und vorhersehbar! Es gab keinen Zeitpunkt, zu dem seine Krankheit schlimmer wurde. Er ist zu Anfang des Films genau so sehr Alkoholiker, wie am Ende. Und sie kümmert sich erst um ihren Vater und dann um ihren Mann.
Das Elend ist schnell zusammengefasst
Die eigentliche Synopsis des Films ist doch eigentlich die: Ein kranker Mann, der dringend professionelle (!) Hilfe braucht, sucht sich eine Frau, die nicht anders kann, als anderen Menschen zu helfen. Die beiden verlieben sich ineinander, weil sie wegen ihrer gegensätzlichen Bedürfnisse abhängig voneinander werden. Irgendwann holt er sich zwar Hilfe, aber geht dabei auch nur die äußerlichen Symptome der Sucht und nicht die eigentlichen Depressionen und Versagensängste dahinter an und ist schlussendlich egoistisch genug, um zu glauben, dass sein Tod nicht nur Flucht, sondern besser für alle Beteiligten ist. Wahnsinnig romantisch.
Um also auf die Original-Frage zurückzukommen: Wieso habe ich nicht geweint? Vielleicht liegt es daran, dass ich diese Art Beziehung kenne. Vielleicht ist es auch die Tatsache, dass ich frisch getrennt und irgendwie nicht so liebesanfällig bin. Vielleicht waren es die zahlreichen Vorwarnungen. Wer weiß. Aber eine große Liebesgeschichte sieht anders aus. Denn auch wenn die beiden sich mit Sicherheit sehr geliebt haben, sollte sichniemandjemals eine Beziehung wie die von Ally und Jackson wünschen.
- Bradley Cooper
- Lady Gaga
- Liebesgeschichte
- Tod
- Wochenende
- Partner